Darmkrebsvorsorge

Ist eine zweite Kontroll-Darmspiegelung nach zehn Jahren sinnvoll?

Die erste Darmspiegelung zur Vorsorge gegen Darmkrebs wird Frauen ab 55 Jahren und Männern ab 50 Jahren angeboten. Bei unauffälligem Ergebnis und ohne ein familiäres oder genetisches Risiko erfolgt die nächste Kontroll-Untersuchung erst nach zehn Jahren. Jetzt steht fest: Der zeitliche Abstand ist angemessen, dann ist eine weitere Darmspiegelung aber unbedingt angeraten.
"Bisher beruhte die Festlegung der Zehn-Jahresfrist eigentlich nur auf einer bestmöglichen Experteneinschätzung", erklärt der Darmkrebsexperte der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte und engagierte Mitstreiter der Stiftung Lebensblicke, Dr. Dietrich Hüppe. "Die Arbeitsgruppe von Prof. Hermann Brenner aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat jetzt die Daten aller verfügbaren Studien zu diesem Thema analysiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Anzahl der Intervallkarzinome in den zehn Jahren nach der Erstuntersuchung in fast allen Studien sehr gering ist. Die Diagnosen fortgeschrittener Krebsvorstufen (Adenome) liegt in diesem Zeitraum bei drei Prozent. Nach zehn Jahren steigt das Risiko für fortgeschrittene Adenome auf 5.6 bis 8 Prozent an, wobei Männer stärker gefährdet sind als Frauen."
Es sei bedauerlich, so der Experte, dass es nach den ersten zehn Jahren des Darmkrebs-Screening-Programms versäumt worden ist, die Kontrolluntersuchungen in der Datenbank des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) systematisch zu erfassen. Insofern wurde bisher eine große Chance vertan in Deutschland zur Fragestellung des Zeitintervalls und der Effektivität einer 2. Vorsorgeuntersuchung umfangreiches Datenmaterial zu sammeln und zu bewerten. "Eine Kontrolluntersuchung nach zehn Jahren bleibt jedoch in jedem Fall zu empfehlen", rät Dr. Hüppe.
Für Menschen, bei denen in der Erstuntersuchung Krebsvorstufen entfernt worden sind oder die ein familiäres oder genetisches Risiko haben, gelten kürzere Fristen bis zur nächsten Kontrolluntersuchung. Die Betroffenen sind gut beraten, sich an die Empfehlungen ihres Magen-Darm-Arztes zu halten.

Fischen im Trüben

Ohne Dokumentation keine Evaluation

Die Verpflichtung, die im Rahmen des Krebsfrüherkennungs-Register-Gesetzes (KFRG) neu organisierten Vorsorgemaßnahmen zu dokumentieren, wird vorläufig ausgesetzt. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 05.12.2019 beschlossen. Der Grund: Die technischen Voraussetzungen zur Dokumentation können nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Betroffen ist insbesondere das laufende Programm zur Früherkennung von Darmkrebs, das jetzt bis auf Weiteres nicht evaluiert werden kann.
"Präventionsmaßnahmen können nur weiterentwickelt und verbessert werden, wenn die erreichten Effekte dokumentiert und analysiert werden", erklärt Dr. Albert Beyer vom Berufsverband der niedergelassenen Gastroenterologen (bng). "In Deutschland wird seit Jahren das weltweit größte Darmkrebsvorsorge-Register geführt. Die Analyse der dort erfassten Daten aus den Praxen der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte belegen unter anderem den Erfolg der Vorsorge-Koloskopie und rechtfertigen das aufwändige Screening-Programm als effektive Maßnahme, um Darmkrebs zu verhindern."
Die gesetzlichen Krankenkassen haben immer wieder in Verhandlungen betont, dass sie es nicht als ihre Aufgabe sehen, qualitätssichernde Maßnahmen und Versorgungsforschung adäquat zu unterstützen. In diesbezüglichen Verhandlungen hatten die Magen-Darm-Ärzte Vorschläge entwickelt, die Qualitätsdokumentation auf alle Koloskopien auszuweiten und die bestehende, gut funktionierende Dokumentation fortzuführen.
"Die Erfassung in unserem international viel beachteten Darmkrebsvorsorge-Register ist lahmgelegt und wichtige Erkenntnisse im Kampf gegen eine Krebserkrankung, die bei effektiver Vorsorge verhindert werden kann, gehen verloren", so Dr. Beyer. "Das ist unserer Meinung nach ein massives Organisationsversagen des G-BA, der nach mehr als einem Jahr nicht in der Lage war, seinen eigenen Beschluss zur Evaluation des modifizierten Darmkrebsvorsorgeprogramms umzusetzen bzw. die Umsetzung zu veranlassen."

Willkürliche Abwertung

Breitseite gegen die Darmkrebsvorsorge

Nahezu zeitgleich mit der Aussetzung der Dokumentationspflicht für das Darmkrebs-Screening-Programm ist auf Drängen der gesetzlichen Krankenkassen die Vergütung für die Früherkennungskoloskopie um rund neun Prozent abgesenkt worden. "Diese besorgniserregende Entwicklung torpediert den erfolgreichen Kampf gegen den Darmkrebs in Deutschland", erklärt Dr. Albert Beyer vom Berufsverband der niedergelassenen Gastroenterologen (bng).
Es ist unbestritten, dass die Darmspiegelung eine effektive und sichere Methode ist, um durch die frühzeitige Abtragung von Polypen als potenziellen Tumorvorstufen Darmkrebs zu verhindern. Zugleich sichert die Untersuchung die Chance auf Heilbarkeit, wenn Darmkrebs rechtzeitig erkannt wird. "Der Erfolg der Methode wird vor allem durch die hohe Qualität der endoskopischen Leistungserbringung in den Praxen von niedergelassenen Magen-Darm-Ärzten gesichert", betont Dr. Albert Beyer.
Die jetzt erfolgte betriebswirtschaftlich nicht begründbare, willkürliche Abwertung der Leistung der Vorsorgekoloskopie zeigt deutlich das geringe Interesse der gesetzlichen Krankenkassen, an einem solchen erfolgreichen Programm festzuhalten. "Die 'Gesundheitskassen'", so Dr. Beyer, "laden Menschen ein, eine Früherkennungsuntersuchung in Anspruch zu nehmen, verweigern aber zugleich die Finanzierung der geforderten Qualität. Statt Kostensteigerungen der vergangenen Jahre von 30 bis 40 Prozent auszugleichen, wird die Vergütung jetzt sogar noch um fast 10 Prozent reduziert!"
Den Bemühungen, Darmkrebs aus der Liste der Top-Todesursachen in Deutschland streichen zu können, wird mit der zusätzlichen Aussetzung der Dokumentation ein Bärendienst erwiesen. Denn nur die Datenanalyse belegt den Benefit für die Volksgesundheit zweifelsfrei. Dr. Beyer: "In Kombination mit der gleichzeitigen willkürlichen Absenkung der Leistungsvergütung wird gesundheitsbewussten Menschen in Deutschland nachhaltig ein schwerer Schaden zugefügt."

Weltkrebstag

Aktion Vorsorgetermin gegen Darmkrebs

Anlässlich des heutigen Weltkrebstages weist Dr. Dagmar Mainz auf die Aktion "Vorsorgetermin" hin, mit der die niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte und die Stiftung LebensBlicke daran erinnern, dass ein Anruf zur Terminvereinbarung genügt, um den ersten Schritt für eine effektive Darmkrebsvorsorge zu machen.
"Darmkrebs steht auf der Liste der krebsbedingten Sterbefälle ganz oben, und das, obwohl die Krankheit bei rechtzeitiger Diagnose heilbar ist", sagt die Sprecherin des Berufsverbandes der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte. "Der Erfolg im Kampf gegen den Darmkrebs hängt entscheidend davon ab, dass die Menschen die Angebote zu Vorsorge und Früherkennung annehmen. Das ist nicht schwer: Im Internet kann jeder unter www.darmvorsorge-jetzt.de ein Vorsorgeangebot in Wohnortnähe finden."
Die Vorsorge-Koloskopie hat in den ersten zehn Jahren des Darmkrebs-Screenings für gesetzlich Versicherte rund 180.000 Darmkrebsfälle verhindert. Einem von 28 Untersuchten ist die Erkrankung erspart geblieben. Das Erkrankungsrisiko steigt ab dem 50. Lebensjahr immer weiter an. "Durch die Darmspiegelung sinkt das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, drastisch und dauerhaft", erklärt Dr. Mainz. "Jeder Kassenpatient kann mit 55 Jahren das Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung kostenfrei in Anspruch nehmen. Demnächst werden Männer diese Untersuchung sogar schon ab 50 Jahren durchführen lassen können."
Seit vielen Jahren warten die niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte auf das von allen Experten empfohlene Einladungsverfahren für die Darmkrebsvorsorge, das im April endlich an den Start gehen soll. "Viel Zeit ist ins Land gegangen, in der sinnvolle Maßnahmen im Kampf gegen den Darmkrebs längst hätten greifen können", sagt Dr. Mainz. "Die Aktion Vorsorgetermin ist ein weiterer kleiner Schritt, um hier schneller zu Erfolgen zu kommen.“